Neue Wege der Anlagenprüfung
Elektrische Anlagen sind in einem ordnungsgemäßen Zustand zu
erhalten. Um über den aktuellen Zustand der elektrischen Anlage
Bescheid zu wissen, müssen in regelmäßigen Abständen Prüfungen
durchgeführt werden. Die Verpflichtung den ordnungsgemäßen Zustand
zu erhalten kommt aus dem Elektrotechnikgesetz (siehe dazu ETG 1992 §
3). Wie diese Prüfungen durchzuführen sind und mit welcher Intensität
und Tiefe vorzugehen ist, war bisher nur äußerst wage beschrieben. Um
diesem unbefriedigenden Zustand Abhilfe zu schaffen, wird in Fachkreisen
dieses Thema heiß diskutiert. Es folgen nun einige Ideen, die vielleicht in
naher Zukunft (sofern sich der Autor dieser Zeilen genug Gehör
verschaffen kann) zum Rahmen für die Prüfung elektrischer Anlagen
werden kann.
In älteren und neueren Vorschriftentexten (z.B. ÖVE-E 5 Betrieb
elektrischer Anlagen und ÖVE EN 50110 Betrieb von Starkstromanlagen)
wird immer wieder von wiederkehrenden Prüfungen als grundsätzliche
Maßnahme zur Feststellung des ordnungsgemäßen Zustandes,
gesprochen. Wiederkehrende Prüfungen an elektrischen Anlagen sind
nach diesen Bestimmungen so durchzuführen, dass die Sicherheit der
Anlage und aller dazugehörenden Teile nachgewiesen werden kann.
Elektrische Anlagen sind dabei mit sorgfältiger Genauigkeit zu
besichtigen, um in Verbindung mit Erproben und Messen den Nachweis zu
erbringen, dass
* der Schutz von Personen und Nutztieren gegen elektrischen Schlag und
gegen Verbrennungen gegeben ist,
* der Sachschutz gegen Beschädigung durch Brand und Hitze zufolge von
Anlagendefekten gegeben ist,
* die Sicherheit weder durch Beschädigung noch durch Alterung der
Anlage unzulässig beeinträchtigt ist und
* Anlagendefekte und Abweichungen von den Anforderungen der
Errichtungsbestimmungen, die eine Gefährdung begründen können,
erfasst werden.
Im Sinne der optimalen Sicherheit und der Vermeidung von Gefährdung
sind die Prüfungen so durchzuführen, dass es dadurch auch bei
Anlagenfehlern weder zur Gefährdung von Personen oder Nutztieren
kommt, noch dass Schäden an Betriebsmitteln oder an nicht zur Anlage
gehörenden Sachgütern entstehen.
Diese Forderung ist in der Regel dann erfüllt, wenn Messgeräte der Reihe
ÖVE EN 61557 verwendet werden.
Jede Beschädigung, jede Verschlechterung, jeder Anlagenfehler und jeder
gefährliche Zustand, aber auch jede Einschränkung des Prüfumfanges
gegenüber den Anforderungen aus Bestimmungen bzw. aus
Behördenauflagen ist im Prüfbefund festzuhalten.
Die Häufigkeit der wiederkehrenden Prüfungen ist von einigen
Einflussfaktoren abhängig:
* Art der Anlage,
* Benutzungsart,
* Betriebsart,
* Wartungsintensität und Wartungshäufigkeit,
* äußere Einflüsse auf die Anlage.
Die maximalen Intervalle für wiederkehrende Prüfungen können durch die
jeweils zuständige Behörde festgelegt sein (siehe z.B.
Elektroschutzverordnung ESV 1995 BGBl. Nr. 706/1995, darin
Prüfintervall im Allgemeinen 5 Jahre).
Prüfung ≠ Prüfung: Klassifizierung der Prüfungen
Unter Erstprüfung versteht man im Allgemeinen die Prüfung einer
elektrischen Anlage im Zuge der Errichtung vor abgeschlossener
Übergabe an den Anlagenbetreiber. Die Erstprüfung basiert auf den
Bestandsunterlagen der elektrischen Anlage und umfasst die gesamte
Anlage (jeden Stromkreis, jede Anschlussstelle, jede Steckdose, jede
Leitung, jeden Verteiler).
Unter einer wiederkehrende Prüfung versteht man die immer
wiederkehrende Prüfung einer bestehende elektrischen Anlage mit
ordnungsgemäß geführtem Anlagenbuch, festgelegten und den
Anforderungen entsprechenden, eingehaltenen Prüfintervallen und einer
im Zuge der Errichtung durchgeführten und dokumentierten
Erstüberprüfung. Die Erstprüfung ist in der ab Anfang Juli verfügbaren, als
Stand der Technik verwendbaren Bestimmung ÖVE/ÖNORM E 8001-6-61
beschrieben. Punktum hat über den Entwurf dieser Norm bereits berichtet.
Da jedoch bei 80 % der bestehenden Anlagen keine klassische
Wiederkehrende Prüfung durchführbar ist, weil die Beschreibung der
elektrischen Anlage in Form des Anlagenbuchs nicht vorhanden ist oder
andere wichtige Voraussetzungen nicht erfüllt sind, ist die Definition einer
Überprüfung, die mehr Erkenntnisse als eine konventionelle
wiederkehrende Prüfung über die Anlage bringt erforderlich. Diese neu
definierte Prüfung könnte eine außerordentliche Prüfung (Prüfung einer
bestehenden elektrischen Anlage bei der die Anforderungen einer
wiederkehrenden Prüfung nicht erfüllt sind) sein.
Dies könnte beispielsweise die Prüfung einer bestehenden elektrischen
Anlage bei der
* das Anlagenbuch oder das Ersatzanlagenbuch fehlt
* bei der die Prüfintervalle um mehr als 20% überschritten sind,
sein.
Die wiederkehrende und außerordentliche Prüfung von Anlagen sollte im
Sinne einer umfassenden und den Zustand beschreibenden Begründung
des Prüfergebnisses dabei folgendes umfassen:
* Besichtigung der gesamten zu prüfenden elektrischen Anlage,
* Prüfung der Durchgängigkeit des Schutzerdungsleiter und der
Potentialausgleichsleiter,
* Nachweis der Bedingungen für Maßnahmen des Fehlerschutzes mit
Schutzleiter (automatische Abschaltung der Stromversorgung)
* Funktionsprüfungen, einschließlich des Nachweises der Funktion jeder
Fehlerstrom-Schutzeinrichtung und für IT-Systeme der Funktion jedes
Isolationsüberwachungsgerätes,
* Messung der Isolationswiderstände der elektrischen Anlage gegen Erde
(alle aktiven Leiter gegen Schutzleiter), soweit zweckmäßig und möglich.
In Ermangelung des Anlagenbuchs als Grundlage zur Erstellung des
Ersatzanlagenbuchs sind die wesentlichen Punkte der außerordentlichen
Prüfung um folgende Themen zu erweitern:
* Aufzeichnungen mit eindeutiger räumlicher Identifikation aller
Betriebsmittel (z.B. Verteiler inklusive Einbauten, Schutzeinrichtungen
und Angaben zu den abgehenden Leitungen [Material, Querschnitt,
Verlegeart]; Steckdosen, Schalter, Anschlussdosen, Leuchten, Auslässe,
Verbrauchsmittel)
* Besichtigung zugänglicher Verbindungsdosen nach Maßgabe der
Durchführbarkeit zur Beurteilung der Leiterverbindungen,
* Besichtigung der verwendeten Leitungstypen (unter Berücksichtigung
der Tragsysteme und Verlegung), Leiterfarben bei Schaltern, Steckdosen,
Geräteanschlußdosen, Potentialausgleichsleitern, Schutzerdungsleitern
* Beurteilung der Verwendbarkeit von Leitungen und Kabeln unter
Berücksichtigung der Verlegeart und der Umgebungsbedingungen
Im Bereich der Verteilanlagen sind im Sinne der vorangegangenen beiden
Absätze folgende elektrotechnische Gegebenheiten zu prüfen:
* Verteilerbezeichnung in der Dokumentation
* Errichterkennzeichen
* örtliche Lage des Verteilers
* Querschnitt und Material der Verteilerzuleitung
* Schleifenimpedanz/Kurzschlußstrom am Verteilereingang
* Verteilerschutzmaßnahme
* Verteilerschutzart
* Isolationswiderstand der Zuleitung
* Dokumentation (Einlinienschaltbild, Stromkreisverzeichnis)
* Prüfdatum
* Bezeichnung der Einbaugeräte
* Fehlerstromschutzeinrichtung (Nenndaten, Auslösung mit Prüftaste,
Auslösezeit, Überlastschutz)
* Überstromschutzeinrichtung (Kennlinie, Nennstrom, Polzahl,)
* Schutzmaßnahme je Stromkreis
* Isolationswiderstand je Stromkreis
Eine ähnliche Zusammenstellung der Informationen zur Beurteilung von
Bereichen und Räumen muss ergänzend folgende Punkte beinhalten:
* Raum-/Bereichsbezeichnung
* Prüfdatum
* Stromkreisbezeichnung
* Steckdosenart und Anzahl der Steckdosen
* fix angeschlossene Betriebsmittel (z.B.: Leuchten, Schalter, Auslässe,
Heizgeräte, Ventilatoren, Pumpen, Fixanschlussdosen)
* beweglich angeschlossene Betriebsmittel
* Schleifenimpedanz (Schutzmassnahme Nullung) oder Fehlerspannung
(Schutzmassnahme Fehlerstromschutzschaltung) für jede Steckdose,
jedes fix angeschlossene Betriebsmittel.
Diese Auflistung der Erfordernisse zur Beurteilung des Zustandes einer elektrischen
Anlage soll einen ersten Anhaltspunkt zur aussagekräftigen Beurteilung und
Beschreibung liefern.